Schüler des Emsland-Gymnasiums diskutierten mit Schulreferentin Kerstin Hemker

„Wäre die Welt ohne Religionen besser dran?“ Im Angesicht von Islamismus und zunehmendem Terror in der Welt ist für viele Menschen die offensichtliche Antwort „ja“. Doch ist es wirklich so, dass die Existenz von Religionen für diesen Zustand verantwortlich zu machen ist? Diese hochaktuelle und brisante Frage diskutierte Schulreferentin Kerstin Hemker jüngst mit Oberstufenschülern und Lehrkräften des Emsland-Gymnasiums in der Mediothek der Schule.

Nachdem die Anwesenden zu Beginn der Veranstaltung die Gelegenheit zu einem ersten Votum erhielten, folgte ein Vortrag von Kerstin Hemker, bei dem sie sich nicht nur auf theoretische Studien berufen konnte, sondern auch auf ganz persönliche Erfahrungen der weitgereisten Theologin, deren Tätigkeitsfeld sich im Laufe ihres Lebens so ziemlich über den gesamten Globus erstreckte.

Die Relevanz dieses Thema verdeutlichte Kerstin Hemker weniger über den offensichtlich gefährlichen Islamismus, sondern insbesondere über das rasante Wachstum evangelikaler Erweckungsbewegungen in Lateinamerika und Afrika, die in ihren Gottesdienst-Events auf betrügerische Weise das Heil zur käuflichen Ware verkommen ließen und das Evangelium vom Wohlstand predigten. Diese Religionsströmungen nutzten dabei die innigsten Sehnsüchte der Menschen aus, so Hemker, versprächen eine absolute Glaubensgewissheit, eine zweifelsfreie Orientierung sowie eine verlässliche Geborgenheit, die den Anhängern das Gefühl des Auserwähltseins vermittelten. Dadurch gehe von ihnen eine zunehmende Gefahr aus.

Genauso gefährlich sei aber auch die Vermischung von Religion und Politik, die zu einer Kungelei zwischen Kirche und Staat führe, die in Zimbabwe dazu geführt habe, dass die Kirche sich in den privaten Raum zurückziehe und durch die somit fehlende Kritik an politischen und anderen Missständen im Lande der Diktatur den Rücken stärke. „Diese charismatischen Pfingstbewegungen pflegen mit ihrem Fundamentalismus alles, was schon Karl Marx an Religion kritisierte“, so Kerstin Hemker. Die allermeisten Religionskriege seien nichts Anderes als machtpolitische Konflikte, bei denen Religion vor den Karren gespannt werde, um mehr Mitstreiter zu finden.

Überall dort, wo die Menschen durch die Religion davon abgehalten werden würden, Dinge rational und human zu regeln, herrsche eine „falsche Religion“. Und diesen Missstand fände man nicht nur im Islamismus, sondern in vergleichbarer Weise im nationalen Hinduismus sowie im Konflikt zwischen Judentum und Islam in Israel und Palästina und im Konflikt zwischen den Protestanten und Katholiken in Nordirland. Ohne diese „falschen Religionen“ wäre die Welt besser dran.

Was wir bräuchten, sei eine moderne Theologie, die den Dialog zwischen den Religionen fördere. Denn die Religion an sich bewertete Kerstin Hemker als etwas Positives. Religion sei ein menschliches Grundbedürfnis, das als Medium der Selbsterkenntnis den Aufbau einer Identität fördere und dadurch helfe, das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit zu ertragen und mit den Anfechtungen und Widersprüchen des Daseins sinnvoll leben zu können. Eine gute Religion gebe eine Gewissheit und erlaube zugleich, alles in Frage stellen zu dürfen. Das sei sozusagen der USP der Religion.

Im Anschluss an den Vortrag herrschte eine rege Debatte zwischen den Teilnehmenden. Dass eine falsche, den Missbrauch fördernde Religion unerwünscht und überflüssig sei, war allgemeiner Konsens, aber der dargestellte USP der Religion überzeugte nicht alle. Und so sprengte die engagierte Diskussion vollends den gesetzten Zeitrahmen dieser Veranstaltung. Ene Stunde später als geplant wurde die Diskussion mit Rücksicht auf den nächsten Schultag abgebrochen, sehr zum Bedauern aller Diskutierenden. Aber es war ein Vergnügen, dieser Veranstaltung beigewohnt zu haben. Und so ging ein großes Dankeschön an Kerstin Hemker, die sachkundig und souverän durch diesen Abend geführt hatte.