Wer um alles in der Welt ist eigentlich dieser Jan Böhmermann? Spätestens seit seinem Gedicht zur Person Erdogans ist er in aller Munde. Bissige Satire, aber ohne Schmähkritik und auf hohem Niveau, das kann allerdings auch der Literaturkurs der Q1 des Emsland-Gymnasiums. Dieser nahm das Publikum in seinem Kabarett auf eine politisch und gesellschaftlich brisante Reise um den Globus mit. Auf eine nachgiebige Behandlung mussten die bereisten Länder, ihre Institutionen und gesellschaftlichen Auswüchse, die A- und C- Promis vergeblich hoffen. Es wurde verbal zugebissen.

160705_Kabarett_1An zwei Abenden präsentierte der Kurs unter der Leitung von Martin Beumer scharfsinnig seine selbst geschriebenen Szenen und die harte Arbeit der einjährigen Vorbereitungszeit. Kunstvoll eingebettet wurde die satirische Reise um die Welt in eine Rahmenhandlung. Die alljährliche Schulfahrt der Oberstufe sollte zur Odyssee werden. Eine auflockernde Fahrt hatte man sich nach dem Besuch der Qualitätsanalyse an der Schule redlich verdient. Die QA, dargestellt als „Men in Black“ von Arian Ehrary und Chris Niemann, besuchten völlig spontan den Unterricht und waren im Grunde gar nicht da. Um sich bestmöglich zu präsentieren stellten selbst autoritäre Lehrer vom alten Schlag (Florian Bücksteeg) mit ihrem Lebensmotto „Schaffen!“ auf Knopfdruck ihren Unterricht auf eine neue pädagogische Ebene, jedenfalls für den Moment. Im Stuhlkreis, nach dem morgendlichen Yoga zur Auffrischung der Energie, galt das Motto „Wir schaffen das!“ und zwar gemeinschaftlich und auf absoluter Augenhöhe. Selbst die Schulklingel erklang nicht mehr im gewohnten „Dingdong“ und beendete den Unterricht, in dem die Schüler ihre angemessene Strafe für unangemessenes Verhalten selber finden sollten, unerwartet mit einem „Dongding“. Nach der vorbildlichen Präsentation begab der Kurs sich mit ihrem kumpelhaften Lehrer (Nick Schulte-Mesum) auf die ersehnte Fahrt mit dem Kompromissziel Prag als geographische Mitte aller Reisevorschläge, auch wenn Chantal (Sara Streiter) gerne im geliebten Mesum geblieben wäre. Die Bahn bewies ihre Verlässlichkeit und spuckte die Teilnehmer nach nur drei Tagen Verspätung aus. Als Refugees from Germany hatte man es auf der Suche nach einer Unterkunft schwer. Sie scheiterte an der Angst vor Überfremdung.  Lediglich der Bischof Tebartz van Elst,  persifliert von Daniel Gude, bot der Gruppe ein prachtvolles Heim und lud insbesondere die männlichen Besucher zu einem Besuch in die Stadt der Liebe ein. Satire darf das! Nach Ablehnung der Sonderführung wurde die Gruppe aufgrund ihrer finanziellen Notlage in einem Schlauchboot von Europa nach Amerika geschleust. Der von einer besorgten Helikopter-Mutter (Nathalie Kettmann) versteckte Peilsender führte zur Verhaftung – Verdacht auf Terrorismus. Eine Aufklärung über die Rechte erwartete man im Lande von Mama Clinton ebenfalls vergeblich. Der Kurs wurde umgehend des Landes verwiesen und dank TTIP völlig problemlos als 160705_KabarettLuftfracht verschickt. Die Odyssee fand ihren Höhepunkt im Abschuss des Frachtflugzeugs über russischem Boden. Satire darf das! Beim Rätselraten über den Verursacher war man sich einig. Die Bundeswehr konnte es nicht gewesen sein – das notwendige Material fehle definitiv. Der russische Präsident (Roman Herdt) bestand allerdings nach der morgendlichen Dopingkur auf seine vorformulierten Worte für die anstehende Pressekonferenz zur Unglücksursache. Ein Abschuss aus humanitären Gründen sei „die richtige Wahrheit“. Die Schülergruppe bewies mit der Hilfe von Jan Böhmermann als kritischen Pressevertreter Rückgrat und verweigerte die in den Mund gelegte Aussage. Infolgedessen musste man das Land verlassen und den vorgezogenen Wandertag über sich ergehen lassen. Hoffnungsvoll erreichte man die deutsche Grenze, um in Sachsen von pöbelnden Pegida-Anhängern empfangen zu werden. Intelligente Plakate mit der Aufschrift „Weg mit die Volksfahrräder“ ließen kein gutes Haar an der Bewegung. Martin Beumer als Leiter des Kabaretts war sich in dem Rahmen nicht zu schade und unterstützte seine Satiriker in Person eines leicht alkoholisierten Demonstranten. Satire darf das! Die verschollene Klasse erreichte letztendlich unbeschadet das heimatliche Emsland-Gymnasium. Dort war nach der QA wieder alles beim Alten. Verständnis für die Fehlstunden in der Schule durch ihre Odyssee? Fehlanzeige. Es gab wichtigere Themen. Das Angebot eines gewissen Präsidenten, den deutschen Lehrermangel durch Kolleginnen und Kollegen seines Landes zu beheben, natürlich nach vorherigem Bluttest, musste diskutiert werden. Satire darf das! Die kabarettistische Reise um die Welt mit intelligenter und scharfsinniger Kritik an der Welt griffen die Schauspieler in ihrem Abschlussmonolog auf. Till Müller appellierte  progressiv an das Publikum, einen Teil zur Entwicklung einer humanen Gesellschaft und Gemeinschaft beizutragen. Im Namen des Kurses formulierte er die Botschaft des absolut kurzweiligen Abends: „Reden Sie miteinander!“. Dieses Rezept solle auch in einer Ehe der Schlüssel sein. Mit der neuen Hymne zur Stiftung einer Identität zu ihrer Penne sangen alle gemeinschaftlich „Emsland, Emsland über alles, Uns`re Lehrer, uns`re Schüler, unser Glück und uns`re Freud!“. Satire darf das!